Neuregelung der Erbschaftsteuer – Auf wackeligen Füßen?

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Thematik: Steuern und Rechnungswesen

Über kaum ein anderes Thema hat Land & Wirtschaft / das SHBB Journal in der Vergangenheit so häufig berichtet, wie über das Erbschaftsteuergesetz. Nach langem Hin und Her einigte sich die Politik im September 2016 auf einen neuen Kompromissvorschlag, weil die bisherigen Regelungen zur Verschonung von Betriebsvermögen Ende 2014 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden waren. Um es gleich vorweg zu nehmen: Für den „Ottonormalbürger“ ändert sich durch diese Reform kaum etwas. Allerdings werden die Erben sehr großer Familienvermögen in Zukunft schärfer rechnen und planen müssen.

 

Begünstigungsfähiges Vermögen

Auch das überarbeitete Erbschaftsteuergesetz sieht vor, dass Betriebsvermögen weitestgehend von der Erbschaftsteuer verschon bleibt. Damit sollen der Fortbestand des Betriebes sowie die damit einhergehenden Arbeitsplätze gesichert werden. Für dieses Vermögen kann der Erbe wie auch schon bisher eine Steuerbefreiung in Höhe von 85 Prozent oder sogar 100 Prozent in Anspruch nehmen. Für sehr große Betriebe mit einem Wert von mehr als 26 Millionen Euro wurde diese Begünstigung gestrichen beziehungsweise modifiziert.

Unter die Begünstigung fallen sowohl land- und forstwirtschaftliche Betriebe, Gewerbebetriebe sowie Praxen und Büros von Freiberuflern. Bei landwirtschaftlichen Betrieben wird jedoch nur der jeweilige Wirtschaftsteil ohne dazugehörende Stückländereien und ohne die Betriebsleiterwohnung begünstigt. Die Verschonung greift ebenfalls, wenn der Betrieb in Rechtsform einer Personengesellschaft, zum Beispiel einer GbR oder KG, betrieben wird. Wird er in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, wie etwa einer GmbH oder AG, geführt, findet die Verschonung auf die Übertragung der Anteile nur Anwendung, wenn der Überlasser zu mehr als 25 Prozent an der Gesellschaft beteiligt war.

 

Änderungen beim Verwaltungsvermögen

Nach der alten Rechtsauffassung war auch sogenanntes betriebliches Verwaltungsvermögen, das für den eigentlichen Betriebszweck nicht benötigt wurde, voll begünstigt, wenn bestimmte Grenzen eingehalten wurden. Zum Verwaltungsvermögen gehören zum Beispiel verpachtete Grundstücke, vermietete Gebäude, Wertpapiere sowie Aktien und Bankguthaben. Künftig ist Verwaltungsvermögen grundsätzlich voll zu versteuern. Es gibt nur noch eine zehnprozentige „Kulanzgrenze“, innerhalb der das Verwaltungsvermögen mit begünstigt wird.

Für landwirtschaftliche Betriebe gelten beim Verwaltungsvermögen Besonderheiten. Auf der einen Seite gehörten Geschäftsguthaben, Wertpapiere und Beteiligungen bereits nach dem alten Erbschaftsteuergesetz nicht zum begünstigten Wirtschaftsteil und waren deshalb voll steuerpflichtig. Auf der anderen Seite zählen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke verpachtete Grundstücke grundsätzlich nicht zum Verwaltungsvermögen. Insofern haben die Änderungen zum Verwaltungsvermögen für landwirtschaftliche Betriebe in der Regel keine Auswirkungen. Aufpassen müssen sie nur, dass die Verpachtung von Grundstücken nicht über einen längeren Zeitraum als 15 Jahre vereinbart ist, denn dann würden die Flächen als nicht begünstigte Stückländereien eingestuft.

 

Steuerverschonung für kleine und mittelgroße Unternehmen

Kleinere und mittelgroße Unternehmen erhalten – wie oben dargestellt – in der Regel eine Steuerbefreiung von 85 Prozent und zusätzlich einen maximalen Freibetrag von 150.000 Euro. Als Voraussetzung für die Erwähnung dieses sogenannten Verschonungsabschlages muss der Erwerber den Betrieb mindestens fünf Jahre lang weiterführen, darf keine wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußern und auch keine übermäßigen Entnahmen tätigen. Auch eine Insolvenz kann ein Verstoß gegen die Behaltensfrist darstellen und entsprechende Erbschaftsteuernachzahlungen auslösen.

Auf Antrag kann eine hundertprozentige Steuerbefreiung gewährt werden. In diesem Fall ist Voraussetzung, dass das Verwaltungsvermögen ohne Abzug von Schulden nicht mehr als 20 Prozent des Betriebsvermögens ausmacht. Des Weiteren verlängert sich die Behaltensfrist von fünf auf sieben Jahre.

Zusätzlich sind in beiden Fällen die betrieblichen Arbeitsplätze zu erhalten. Dies wird anhand der während der Behaltensfrist gezahlten Lohnsummen gemessen. Die Lohnsummenregelung war nach der alten Gesetzesfassung nur zu beachten, wenn mehr als 20 Arbeitnehmer im Betrieb tätig waren. Im neuen Erbschaftsteuergesetz ist eine gestaffelte Lohnsummenregelung eingeführt worden, die jetzt bereits ab sechs Arbeitnehmern greift (siehe Übersicht). Bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl und der Lohnsumme zählen Beschäftigte im Mutterschutz, Auszubildende und Saisonarbeitnehmer nicht mit.

 

Obergrenzen für große Unternehmen

Wird begünstigtes Unternehmensvermögen von über 26 Million Euro erworben, schmelzen die Prozentsätze für die Steuerbefreiung von 85 Prozent beziehungsweise 100 Prozent kontinuierlich ab. Alternativ kann der Erwerber einen Erlass der Steuer beantragen. Wenn die Hälfte seines bisherigen Privatvermögens zuzüglich des übertragenen, nicht begünstigten Vermögens nicht ausreicht, um die anfallende Erbschaft- Schenkungsteuer zu bezahlen.

 

Besondere Begünstigungen für Familienunternehmen

Insbesondere für Familienunternehmen in Form von Personen- und Kapitalgesellschaften in Form von Familienunternehmen sieht die Gesetzesänderung vor, bei der Unternehmensbewertung einen zusätzlichen Abschlag von maximal 30 Prozent vor. Voraussetzung für die Gewährung dieser besonderen Begünstigung für Familienvermögen ist, dass Entnahmen und Ausschüttungen gemäß Gesellschaftsvertrag auf höchstens 37,5 Prozent des Gewinns nach Steuern beschränkt sind. Des Weiteren muss eine Übertragung an familienfremde Personen ausgeschlossen sein.

Problematisch kann im Einzelfall sein, dass diese gesellschaftsvertraglichen Regelungen bereits zwei Jahre vor und 20 Jahre nach der Übertragung Bestand haben müssen. Vor allem die lange Nachlauffrist kann bei Nichteinhaltung dazu führen, dass viele Jahre später rückwirkend Erbschaftsteuer entstehen kann.

 

Rückwirkende Regelungen

Die vorgestellten Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes gelten rückwirkend für alle seit dem 1. Juli 2016 angefallenen Schenkungen und Erbschaften. Daneben gibt es für die Bewertung von gewerblichen und freiberuflichen Unternehmen eine Änderung, die rückwirkend bereits ab dem 1. Januar 2016 angewendet werden soll. Sie betrifft den Multiplikator, mit dem der Unternehmenswert aus dem durchschnittlichen Jahresertrag errechnet wird. Dieser Faktor entwickelt sich entgegengesetzt zum Zinssatz, sodass die errechneten Unternehmenswerte zuletzt aufgrund des niedrigen Zinsniveaus sehr hoch ausfielen. Nun ist dieser Multiplikator auf 13,75 gedeckelt worden, was grundsätzlich zu einer niedrigeren Bewertung für die Erbschaftsteuer führt. Eine niedrigere Bewertung kann im Einzelfall aber auch Nachteile mit sich bringen, wenn sich dadurch der Anteil von Verwaltungsvermögen im Vergleich zum begünstigten Betriebsvermögen erhöht und die gesetzlichen Grenzwerte nicht eingehalten werden können.

Landwirtschaftliche Betriebe sind von dieser Bewertungsänderung grundsätzlich nicht betroffen, da hier ein anderes Bewertungsverfahren zur Anwendung kommt, das sich an standardisierten Gewinnen beziehungsweise Pachterträgen orientiert.

Unsere Meinung

Der Gesetzgeber hat mit dem neuen Erbschaftsteuergesetz wiederum ein Bürokratiemonster erschaffen, das zudem teilweise auch rückwirkend angewendet werden soll. Es ist alles andere als ein großer Wurf, denn nach wie vor werden Betriebs- und Privatvermögen ungleich behandelt, sodass endgültige Rechtssicherheit immer noch nicht erreicht wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Bundesverfassungsgericht erneut über die Verfassungskonformität des Erbschaftsteuergesetzes entscheiden muss.

 

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